Warum eigentlich soll man Unterricht nehmen..?

Häufig begegnen mir Jugendliche und auch Erwachsene, die sich mit Hilfe von Youtube-Tutorials, von denen es zahllose gibt, das Klavierspielen selbst beibringen wollen. Häufig merken diejenigen irgendwann selbst, dass das langfristig nicht funktioniert - man kann vielleicht irgendwann ein bestimmtes Stück halbwegs ordentlich spielen, aber das ist auch alles. Die korrekte Technik und das notwendige Wissen kommen ebensowenig zustande wie die Fingerfertigkeit, die es braucht. Der Grund ist einfach: Ein Video sieht nicht, wie Sie sitzen. Wie die Haltung und Stellung Ihrer Finger ist, wie Ihre Fingersätze und Bewegungsabläufe aussehen. Es hört nicht zu, wie Sie spielen, ob Ihr Rhythmus stimmt, Ihre Dynamik, Ihre Artikulation. Und das Schlimmste: es korrigiert nicht Ihre Fehler! Für eine fundierte Ausbildung führt an einem kompetenten Lehrer kein Weg vorbei!

Andererseits werde ich auch bisweilen von Eltern gefragt, ob und welche Auswirkungen das Klavierspiel auf die kindliche Entwicklung hat.

Nun, Musizieren macht Spaß. Das ist wichtig und Punkt eins. Allerdings ist inzwischen auch eindeutig und zweifelsfrei wissenschaftlich erwiesen, wie sich das Klavierspiel konkret und im Detail auf die kindliche Entwicklung auswirkt.
Da sich aber bereits eine Menge kompetenter Köpfe zu diesem Thema geäußert haben, gebe ich im folgenden einen Text wieder, auf den ich beim Bund der Klavierbauer e.V. gestoßen bin. Mit freundlicher Genehmigung durch Herrn Enzenauer vom "Lehrgut - Arbeitskreis Instrumantalpädagogik"
Wem der Text zu lang ist, um ihn am Bildschirm komplett zu lesen, der kann ihn sich zum ausdrucken hier als (Original-) PDF-Datei runterladen:
Warum Klavier spielen?! (PDF)
Für alle andern hier der wörtlich aus dieser Datei zitierte Text:
(keine Gewähr für Fehler!)
ZITAT:
"Liebe Leserin, lieber Leser, die vorliegenden Beiträge und Zitate möchten einen kurzen Überblick über das breite Spektrum geben, in dem Klavier- und Musikunterricht seine fördernde Wirkung entfaltet. [...]
Bereicherung der Lebensqualität
Musik ist künstlerischer Ausdruck menschlichen Seins.
Sie ist Sprache und fordert zum Kontakt, zur Kommunikation auf. Wie jede Sprache hat sie ihre Grammatik und ihre Vokabeln, die man um so sicherer beherrscht, je früher man sie erlernt. Jede Reaktion des Musizierenden ruft eine Reaktion Hörender hervor. Kinder erfahren das oft wie eine Zauberkraft, weil sie plötzlich Interesse und Zuspruch erfahren. Bis ins hohe Alter fördert ein erlerntes Instrument die Geselligkeit und anregende Bekanntschaften. Das Klavier, das in seiner Vielstimmigkeit allein gespielt werden kann, regt besonders zu Kreativität und weiterem Verständnis der Musiksprache an. Auf ihm
kann in allen Stilrichtungen musiziert, einfache und komplexe Werke gespielt, solistisch oder begleitend musiziert werden.
(Dr. Linde Tiesbrummel, Ärztin, Odenthal)
Wirkung auf das Gehirn aus
medizinischer Sicht
Durch Klavierspielen - insbesondere bereits in der Kindheit - werden feinmotorische Fähigkeiten und die neuronalen Vernetzungen im Gehirn deutlich verstärkt.
Die erhöhte Vernetzung zeigt sich in einer messbaren Steigerung der Intelligenz. Klavier spielen fördert außerdem die Vernetzung der linken und rechten Hirnhälften und bewirkt somit eine bessere Verknüpfung von Klang- und Rhythmusempfinden. Erfahrungsgemäß geht damit ein verbessertes Zusammenspiel von Intuition und Analyse bzw Gefühl und Ratio einher. Grundsätzlich aktiviert schöne Musik Zentren im Gehirn, die glücklich machen und stimuliert das körpereigene Selbstbelohnungssystem.
(Dr. Hans-Hermann Winter, Neurologe, Leverkusen)
Entwicklung von Intelligenz und
Kompetenz besonders bei Schülern
Erst die Gesamtheit aller Teilintelligenzen macht das ganze Spektrum der menschlichen Fähigkeiten aus. Es ist also sehr sinnvoll, die Gesamtheit der Teilintelligenzen zu fördern. Das Musizieren stellt vielfältige Beziehung unter diesen Teilintelligenzen her. Musizieren ist eine integrierende Tätigkeit, die Verstand, Gefühle und Körper verbindet. Praktischer Musikunterricht entwickelt daher die ganzheitliche Persönlichkeit.
Folglich geht es beim Musikunterricht nicht allein um Musik, sondern auch um die Nebenwirkungen wie affektive, kognitive, soziale Entwicklung und Intelligenz. Praktischer Musikunterricht verbessert die Konzentrationsfähigkeit, erhöht die emotionale Stabilität und die soziale Kompetenz und steigert die Schulleistungen insgesamt. Damit ist klar, wie dringend wir praktischen Musikunterricht für eine ganzheitliche Bildung des Menschen brauchen. Martin Luther sagte: „Musica ist eine Disziplin …, so die Leute gelinder, sanftmütiger,
sittsamer und vernünftiger macht.“
(Wolfhagen Sobirey, Direktor der Staatlichen
Jugendmusikschule Hamburg)
Nutzen für die emotionale Stabilität
besonders von Jugendlichen
Neben dem allgemeinen medizinischen Nutzen bietet das Klavierspiel insbesondere für Jugendliche positive Entwicklungspotentiale. Musik bietet für Jugendliche grundsätzlich die Möglichkeit zur persönlichen Identifikation und Gruppenbildung. Gemeinsames Musizieren senkt bei männlichen Jugendlichen nachweisbar die Konzentration des Ag-gressionshormons.
Die Produktion der Hormone, die soziale Bindungen fördern, wird deutlich erhöht.
(Dr. Hans-Hermann Winter, Neurologe, Leverkusen)
Erfolge aus medizinischer Sicht besonders
für Erwachsene und Senioren
Klavierspielen ist ein ideales Mittel, um krankmachenden Streß abzubauen. Wie neuere neuro-physiologische Untersuchungen zeigen, wirkt sich die Motorik des Klavierspielens positiv auf die vegetativen Funktionen unseres Körpers aus, wie z.B. Gedächtnis, Konzentration, Kombinationsvermögen etc. Gerontologische Untersuchungen belegen, dass das aktive Musizieren, insbesondere das Klavierspiel, die Funktion eines Gehirnjoggings bekommen kann. Dies gilt für jüngere wie ältere Menschen. Es ist nie zu spät, das Klavierspielen zu erlernen. Verloren gegangene motorische Fähigkeiten können durch gezieltes Üben wiedererlangt werden, was sich positiv auf die genannten Gehirnfunktionen auswirkt.
(Prof. Dr. Hermann Rauhe, aus: Faszination Klavier,
Wer Klavier spielt, hat mehr vom Leben)
Bedeutung für Zuhörer
Der erfahrene Hörer hört nicht allein die einzelnen
Töne, sondern nimmt musikalische Strukturen wie Rhythmen, Melodien, Harmonien und Formen wahr. Um diese Strukturen zu erfassen und sinnvoll zu ordnen, bedarf es geistiger Arbeit, für die viele Gehirnareale gleichzeitig beansprucht werden. Gesteuert wird das Zusammenspiel der Areale durch die Frontlappen. Sie bilden eine Kontrollinstanz, eine höhere Hierarchie-ebene, die für Eigenschaften wie Planung, Anstrengung, Disziplin und Willen mit verantwortlich ist. Auf diese Weise ist das Hören auf hohem Niveau geistig fordernd und fördernd. Insbesondere wird das Kurzzeitgedächtnis und die Aufmerksamkeit trainiert. Das Hören auf hohem Niveau, also das Hören komplexer Musik - nicht der reinen Unterhaltungsmusik - kann damit anstrengen, aber es schafft letztendlich durch das Erfassen tiefer Strukturen und Sinnzusammenhänge Bestätigung, Freude und auch Spaß.
(Siehe: Robert Jourdain, Das wohltemperierte Gehirn)
Nutzen des Klavierspielens und des
Musizierens im Rahmen der Therapie
Die Musiktherapie wird oft durch das Klavier bereichert. Über Musik ist eine Kommunikation mit Menschen möglich, die keine andere Ausdrucksmöglichkeit haben. Sie ist heilpädagogisches Element bei geistig Behinderten und kann den Umfang von Entwicklung beientwicklungsverzögerten Kindern positiv beeinflussen. Durch aktives Musizieren am Klavier werden neue kreative Fähigkeiten erlangt. Es wird die Koordination zwischen Auge und Hand mit der Wahrnehmung im musikalischen Dialog verbunden.
(Dr. med. Edith Schnack, Bochum)
[...]
Idee und Realisierung
Jan Enzenauer, 51399 Burscheid
2003"
Zitat Ende


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